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Unsere Haltung

Die Haltung, die wir in der Psychomotorischen Praxis Aucouturier vertreten und die Vision, mit der wir Therapie denken, stützen sich auf pädagogische und therapeutische Konzepte, beispielsweise aus der Tiefenpsychologie oder der Bindungsforschung. Gleichzeitig werden sie auch getragen und untermauert von unseren täglichen Erfahrungen im Psychomotorik-Raum:

 

Die Kinder sind tief beteiligt an ihrem Tun, wenn sie sich frei und ihren basalen Themen und Bedürfnissen entsprechend ausdrücken, bewegen und spielen dürfen. Sie tun aus ihren inneren Impulsen heraus das, was sie in ihrer Entwicklung voranbringt. Immer wieder erleben wir, dass sie auf Ideen kommen, die wir nicht gehabt hätten. Die Kinder gehen in den Stunden ihren eigenen Weg, den wir ihnen nicht hätten zeigen können. Wir begleiten und unterstützen sie auf diesem Weg. Eine tragfähige Beziehung zwischen Kind und TherapeutIn ist dabei eine wichtige Basis in unserer Arbeit. Ebenso ein haltgebender Rahmen und eine klare Struktur der Stunden, der Orientierung schenkt und Sicherheit bietet.

 

Unser Raum lädt mit seinem Mobiliar und den Materialien ein sich nach Herzenslust zu bewegen und zu spielen. In diesem Raum darf alles sein. Die Kinder können dort keine Fehler machen. Wir tun so „als ob“. Sie spielen dort wild oder vorsichtig. Übermütig oder zurückhaltend. Still oder laut… Sie spielen richtig und wichtig, wie auch immer es im jeweiligen Moment aussieht. Wir beurteilen dieses Spiel nicht.

„Denn es gibt keine Handlung ohne Grund und das, was ein Kind spontan tut, entspricht immer seiner tiefen Motivation.  An uns liegt es, zu verstehen, was dieses Tun wirklich ausdrückt und durch unser eigenes Tun zu antworten.“  (Bernard Aucouturier)

Wir verstehen das Verhalten eines Kindes als Einladung in Beziehung zu kommen. Wir fordern keine Veränderung, fördern sie aber, wenn das Kind in eine Veränderung will. Es findet kein „weg-therapieren“ von unerwünschtem Verhalten statt. Wir üben oder trainieren keine bestimmten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und dennoch, und vielleicht insbesondere deshalb, findet Veränderung statt. Kinder entwickeln sich am besten, wenn sie das, was sie tun, aus und mit Freude tun. Daher ist Freude unser oberstes Gebot.

„Die psychische Entwicklung gründet in Lust und Freude.“ (Bernard Aucouturier)

Die Kinder finden über das lustvolle Spielen und Bewegen in Beziehung zum Anderen, hin zu tiefer Rückversicherung gegenüber ihren Ängsten. Sich fallen lassen und aufgefangen werden – nicht nur der Körper, auch die Emotionen. Sich verstecken und gefunden werden. Das sind nur einige Spiele, die die Kinder aus sich heraus in unserem Raum spielen. In diesen Spielen sind tiefgreifende Fragen verborgen:

 

„Hast Du mich lieb?“ – „Bin ich Dir wichtig?“ – „Hältst Du mich?“ „Hältst Du mich aus?“

 

Über die Freude an sich selbst, die es durch einen anderen erlebt, wächst ein Kind. Von dort aus kann es sich der Welt öffnen, mit ihr in Beziehung treten und wachsen.

„Das Kind wird am DU zum ICH.“ (Martin Buber)

Die Kinder suchen mit diesen Spielen nach Antworten. Nach einem JA.

 

 

 

 

 

Psychomotorik

Mit dem Begriff Psychomotorik wird die Verbindung und das Zusammenwirken von Psyche und Bewegung zusammengefasst. Daraus entsteht ein individueller Ausdruck, den wir als Mensch über unseren Körper und seine motorischen Möglichkeiten sichtbar machen. 

 

Empfindungen und Erfahrungen „befüllen“ den Körper in jeder Zelle. Sie werden in Strukturen verankert und es entsteht ein psychisches und physisches Gedächtnis. Dieser psycho-motorische Vorgang hört nicht mit der Kindheit auf, er „passiert“ in jedem Menschen zu jeder Zeit seines Lebens. 

 

In unserer Kindheit (vor allem in der frühen Kindheit) sind die Prozesse der seelischen und körperlichen Entwicklung am engsten miteinander verknüpft. Mit dem Erwerb von Sprache und dem Einsetzen von logischem Denken können wir unser inneres Erleben mit der äußeren Umwelt auf verschiedenen Ebenen teilen. Als Mensch sind wir ein Ganzes und stets angefüllt von dem, was wir wahrnehmen und fühlen.

Es gibt im Bereich der Psychomotorik verschiedene Ansätze, die sich in ihrer Methode und Betrachtungsweise unterscheiden. Der Ansatz, mit dem wir arbeiten, nennt sich Psychomotorische Praxis Aucouturier, nach seinem französischen Begründer Bernard Aucouturier. In unserer Arbeit mit dem Kind gehen wir davon aus, dass jedes Handeln und Tun eines Menschen einen tiefliegenden, individuellen Beweg-Grund* hat. (*Marion Esser, Beweg-Gründe).

 

Der methodische Rahmen stützt sich auf theoretische Grundlagen und Modelle aus der frühen Persönlichkeitsentwicklung (Entwicklungspsychologie: Piaget, Wallon / Psychoanalyse: Freud, Winnicott / Bindungstheorie: Bowlby / Analytische Säuglingsforschung: Stern). Das besondere Augenmerk in unserer Arbeit liegt auf den frühen Lebenserfahrungen, die ein Kind gemacht hat.

Bernard Aucouturier

Professor h.c. Bernard Aucouturier wurde 1934 in Tours / Frankreich geboren. Nach seinem Sportstudium begann er in seiner Heimat als Lehrer am Heilpädagogischen Zentrum für Bewegungserziehung zu arbeiten. Er stellte dort das gesamte funktionell orientierte Sonderturnen in Frage. Ihn interessierte die Persönlichkeit der Kinder. Er wollte jedem einzelnen Kind die Freiheit geben, seine eigene Haltung, in der es sich wohlfühlt, zu entdecken und definierte einen Rahmen, der den Kindern Sicherheit und Orientierung gab.

B. Aucouturier beschrieb eine Haltung, die die Emotionen eines Kindes und deren Ausdruck – wie beglückend oder schmerzhaft sie auch immer sein mochten – als wertvoll ansah. Die Annahme dieses individuellen Ausdrucks definierte er als eine Basis in der Arbeit mit einem jeden Kind. Freude an Kommunikation und Handlung stellte er in den Mittelpunkt. Das Kind als Akteur und der Therapeut als der, der sich ihm anpasst – ohne Korrektur, wie auch immer Verhalten und Defizite aussahen.

Mehr als 35 Jahre lang arbeitete und forschte Bernard Aucouturier in seiner praktischen Arbeit mit den Kindern und entwickelte so diesen eigenständigen Ansatz in der Psychomotorik, der sowohl in der Prävention als auch in der Therapie von Kindern Anwendung findet. Er ist Gründungspräsident der Association Européenn des Ecoles de Pratique Psychomotrice (ASEFOP). Die ASEFOP ist die europaweit tätige Dachorganisation aller Ausbildungsinstitute, wurde 1986 gegründet und besteht aus 7 Schulen. 2009 hat sich Bernard Aucouturier im Alter von 75 Jahren aus dem institutionellen Leben der ASEFOP zurückgezogen.

Die Psychomotorische Praxis Aucouturier ist aus Erfahrung entstanden. Sie ist nicht statisch, sondern lebendig und dynamisch und entwickelt sich immer weiter. Sie basiert auf theoretisch-praktischer Erfahrung von umfangreicher Kontinuität.  

Bernard Aucouturier

Aus- und Weiterbildung

Wer sich für eine Aus- und Weiterbildung in dem Ansatz Psychomotorische Praxis Aucouturier interessiert, kann sich bei ZAPPA, Zentrum für Aus- und Fortbildung in Psychomotorischer Praxis Aucouturier mit Sitz in Bonn, informieren.

ZAPPA wurde 2002 gegründet und ist das einzige deutsche Ausbildungsinstitut in Psychomotorischer Praxis Aucouturier, das von der europaweit tätigen Dachorganisation ASEFOP anerkannt ist. ZAPPA will mit seiner Arbeit einen Akzent setzen für eine Psychomotorik, die Freiraum für den individuellen Ausdruck des Kindes gibt:

Innere Bilder können über Körper und Emotion zum Ausdruck kommen.

Marion Esser ist als Psychomotorik-Therapeutin in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis tätig. Als Ausbilderin für diesen Ansatz der Psychomotorik (ASEFOP, Brüssel) und langjährige Wegbegleiterin von Bernard Aucouturier (von 1984 bis 2009) leitet sie das Aus- und Fortbildungszentrum ZAPPA in Bonn. Sie ist Autorin von »Beweg-Gründe« und »Beziehung wagen« und verfasst und übersetzt Artikel und Schriften zur Psychomotorischen Praxis aus dem Französischen und Spanischen. Auf europäischer Ebene hat sie in den Jahren von 2009 bis 2014 im Vorstand der ASEFOP die Weiterentwicklung des europäischen Dachverbandes nach Ausscheiden von Bernard Aucouturier begleitet.